Mittelfränkische Herrentracht – ein Rekonstruktionsversuch anhand von Zeichnungen und Physikatsberichten aus den 1850ern – historisch Teil 2 Punkt (3) – (7)

Teil 1 – Allgemeine Überlegungen und Punkt (1) – (2)

(3) Vorbereiten der Vorderteile: Optional den Abnäher schließen und Richtung Rücken bügeln.Der Abnäher kann auch aufgeschnitten werden. Das Vorderteil entlang des Hals- und Armausschnitt, und der Schulter etwas mit Hilfe des Bügeleisens dehnen (dressieren), vor den weiteren Schritten auskühlen lassen.

Im Bereich des Tascheneingriff von links einen Streifen Baumwolle oder Leinen zur Verstärkung aufheften, weiter wie in der modernen Anleitung beschrieben, den Taschenbeutel rechts auf rechts entlang der Markierungen für den Tascheneingriff auf das Vorderteil aufstecken. Rund um die Taschenöffnung nähen, die Stichlänge in den Ecken reduzieren, Abstand circa 1cm. Den Tascheneingriff Y-förmig aufschneiden. Ich habe mich hier für das Nähen mit der Maschine entschieden, da die Naht später nicht mehr zu sehen sein wird.

Den Taschenbeutel durch die Öffnung auf links ziehen und die Kanten untersteppen. Bügeln, die Nahtlinie soll dabei etwas hinten zu liegen kommen um von rechts nicht sichtbar zu sein. Den Taschenbeutel nach oben klappen und den hinteren auf dem vorderen Anteil ausrichten. Den Taschenbeutel entlang der Oberkante an das Vorderteil heften. Entlang der Seiten nähen, dabei den Oberstoff zur Seite schlagen und das kleine Dreieck mitfassen.

An der Vorderteileinlage (das ist der grau hinterlegte Bereich am Schnittmuster) den Abnäher ausschneiden und Stoss auf Stoss zusammennähen, mit einem Streifen Baumwollstoff verstärken (dieser Schritt entfällt, wenn der Abnäher nicht genäht wurde).

Die Einlage wie auf den Bildern gezeigt einschneiden und kleine Dreiecke unternähen.

An der Brusteinlage die Einschnitte leicht versetzt machen und ebenfalls kleine Dreiecke einsetzen. Auf die Brusteinlage zwei bis drei Lagen Volumenvlies legen und links auf links auf der Vorderteileinlage ausrichten, das Vlies liegt dazwischen. Die Vorderteileinlage mit der linken Seite nach unten auf einen Bügelbock oder Polster legen und so die Brust simulieren. Die Brusteinlage auf die Vorderteileinlage pikieren und bügeln.

Die Vorderteil Einlage auf der linken Seite des Vorderteils ausrichten und festheften. Begonnen wird mittig die Brust hinunter und zurück entlang der Vorderkante über die Schulter weiter zum Armloch und über die Seitennaht zur Abnäherspitze. Dabei den Brustbereich etwas dehnen und die Form der Brust mit einem Bügelbock oder Polster nachahmen. Die Heftnähte sollen etwa 5cm von den Kanten entfernt sein, damit sie später beim Nähen nicht stören.

Auf der Innenseite die Einlage im Bereich der Tasche ausschneiden und die Nahtzugaben der Tasche mit lockeren Stichen an die Einlage hexen.

An der Unter- und Vorderkante die Nahtlinie anzeichnen und nur die Einlage bis knapp hinter die Linie zurückschneiden. Das Lisierband (ein einfaches Baumwollband) locker aufstecken und entlang der Nahtlinie an den Oberstoff hexen. Die Stiche dürfen von rechts nicht oder kaum sichtbar sein. Die andere Kante des Bandes an die Einlage staffieren.

Die Nahtzugabe entlang der Vorderkante einschlagen und bügeln, an die Einlage hexen, oben etwa 5cm locker lassen, damit der Kragen gut angenäht werden kann. Den Saum einschlagen und wie am Rückteil erst heften und dann mit Hexenstichen befestigen.

(4) Die Position der Taschenklappen am Vorderteil anzeichnen, durch den Abnäher kann es sein, dass die Position etwas korrigiert werden muss. Die Klappe muss die Öffnung auf jeden Fall abdecken und soll aus optischen Gründen mit der Oberkante auf Höhe der Falte an der Seitennaht liegen. Die hintere Kante soll 3-4cm von der Falte entfernt sein.

Jetzt muss nur noch die Klappe selbst vorbereitet werden. Die Nahtzugaben an der Klappe einschlagen. Zuvor die Nahtlinie mit Vorstichen anzeichnen. Nahtzugaben an den Kurven einschneiden, damit sie flach liegen, an den Ecken V-förmig einschneiden, damit dort kein Knubbel entsteht. Die Kanten der Nahtzugaben mit einigen Stichen aneinander fixieren.

Das Futter wird in gleicher Weise vorbereitet, nur wird eine Nahtzugabe von 1,8cm anstatt 1,5 eingeschlagen, so kommt die Kante 2-3mm hinter der Kante des Oberstoffes zu liegen. Am Futter auch die Nahtzugabe an der Oberkante einschlagen und das Futter links auf links auf die Klappe legen. Erst heften, dann rundherum anstaffieren. Die Ecken eventuell noch mit einigen Stichen sichern.

Die Klappe rechts auf rechts auf das Vorderteil legen und entlang der zuvor markierten Linie ausrichten. Mit Rückstich nur an den Oberstoff nähen und nach unten bügeln. Die Nahtzugabe mit der Zackenschere zurückschneiden und unter das Futter der Klappe schieben. Im Bereich der Nahtlinie zuvor V-förmig einschneiden, damit an dieser Stelle kein Knubbel entsteht. Das Futter an die Nahtzugabe staffieren. Die Klappe wieder nach unten legen und seitlich auf einer Länge von 1-1,5cm fixieren.

(5) Die Schulternaht rechts auf recht schließen, genau an Punkt (3) stoppen, und die Nahtzugaben auseinander bügeln. Wenn gewünschte ein Nahtband mit einnähen, so kann sich die Schulternaht später nicht dehnen. Die Vorderteil Einlage über die Schulternaht legen und locker nur an die Nahtzugaben der Schulternaht hexen (siehe moderne Anleitung Punkt (6).

(6) Für den Kragen die Einlage im schrägen Fadenlauf zuschneiden und die Nahtlinie markieren, auf der linken Seite des Oberstoff ausrichten und die Nahtlinie mit einem Faden „durchschlagen“. An der Einlage die Nahtzugabe an der Unterkante knapp neben der Nahtlinie abschneiden (die markierte Nahtlinie befindet sich durch die Schablone etwas innenseitig).

Den Kragen rechts auf rechts entsprechend der Markierungen am Halsloch ausrichten und nähen. Dabei etwas über den Kragenansatzpunkt hinaus nähen. Die Nahtzugaben auf 1cm zurückschneiden und auseinander bügeln. Die Vorderteil Einlage entlang der Nahtlinie abschneiden und die Nahtzugaben am Halsloch auf die Einlage des Kragens und des Vorderteils hexen.

Die Kragenbreite wenn nötig korrigieren und nur die Einlage auf die Nahtlinie zurückschneiden. Die Nahtzugabe des Kragens auf 1cm bis 7mm zurückschneiden und um die Kante der Einlage legen, bügeln und heften. Am Kragenansatzpunkt die Nahtzugaben V-förmig einschneiden (Pfeile). Die Nahtzugabe an die Einlage hexen. An der Rundung genau arbeiten, und die Symmetrie des Kragens überprüfen.

Den inneren Kragen am Äußeren ausrichten und zusammenheften, dabei die Rundung des Halses simulieren (Mehrweite am äußeren Kragen).

Die Nahtzugabe des Innenkragens entlang der Außenkanten auf 1cm zurückschneiden und einschlagen, so dass die Kante 1-2mm hinter der Kante des Außenkragens zu liegen kommt. Erst heften und dann mit fast unsichtbaren Stichen anstaffieren. Die Schichten entlang der Kragenansatznaht zusammennähen.

Für den Beleg am linken Vorderteil den Streifen wie beim Kragen beschrieben entlang der Vorderkante erst ausrichten, heften und dann anstaffieren. An der Oberkante (Halsloch), und auch an der Vorderkante, nicht fransende Stoffe wie Tuchloden, auf die Nahtlinie zurückschneiden, nicht einschlagen, damit kein Knubbel entsteht. Die hintere Kante des Belegs wird an die Vorderteileinlage gehext.

Wozu ist der Beleg überhaupt nötig? Warum nur eine Seite? Ob der Beleg nur links oder symmetrisch beidseitig genäht wird ist Geschmacksache, sollten keine Knopflöcher geplant sein kann darauf verzichtet werden. Bei handgenähten Knopflöchern sieht die Rückseite meist nicht so schön aus wie die Vorderseite, was bei schwarzer Knopflochseide auf rotem Futter störend wirken könnte, daher der farblich passende Beleg.

Diese Art des Belegs findet sich auch an original Kleidungsstücken, wie dieser Weste aus dem Archiv der Trachtenforschungs- und Beratungsstelle des Bezirks Mittelfranken:

(7) Am Futterrückteil kann für eine historische Verarbeitung auf die Bewegungsfalte verzichtet werden, dazu wir das Futter mit dem grau hinterlegten Bereich des Rückteils (2a) zugeschnitten. Die beiden Teile rechts auf rechts aufeinander ausrichten und entlang der hinteren Mitte nähen, die Nahtzugaben auseinander bügeln. Die Nahtzugaben an der Seite, Schulter und Halsloch einschlagen, bügeln und das Futter erst einmal zur Seite legen. Im Vorderteil Futter wenn nötig den Abnäher schließen und wenn gewünscht Paspeltaschen im Brustbereich einnähen.

Das Futter rechts auf rechts in das Oberteil legen und entlang der Kanten ausrichten, glattstreichen und etwa 5cm von den Kanten entfernt festheften. Die Nahtzugaben am Hals und an der Vorderkante einschlagen, am Hals an der Nahtlinie ausrichten, an der Vorderkante so, dass die Kante 2-3mm hinter der Kante des Oberstoffes liegt. Im Bereich des Belegs entsprechend ausschneiden. Das Futter entlang der genannten Kanten anstaffieren.

Am Saum die Zugabe des Futters so einschlagen, dass es wie am Rückteil 1,5cm hinter der Saumkante zu liegen kommt, den überschüssigen Stoff abschneiden und den Futtersaum wie unter Punkt (2) beschrieben anhexen.

Teil 3 Punkt (8) – (9)